Die Telekom hat heute ihre neue Tarifoption „StreamOn“ für ausgewählte MagentaMobil-Laufzeitverträge gestartet. Kunden können nun VoD- und Musik-Dienste von bestimmten Streaming-Partnern unterwegs nutzen ohne das inkludierte Highspeed-Datenvolumen zu belasten. Sieht auf den ersten Blick vielversprechend aus. Aland Anuar |
Wer kennt es nicht – am Ende des Datenvolumens ist immernoch viel zu viel Monat übrig. Da kommt so ein Angebot der Telekom doch gerade Recht. Doch was bedeutet das für die Netzneutralität? Darf die Telekom bestimmte Dienste bevorzugen?
Das Zero-Rating-Produkt der Telekom erinnert an „Binge On“ der Tochter T-Mobile US. Dort können Kunden schon seit 2015 ohne Belastung des Datenvolumens Streaming von zahlreichen Anbietern nutzen, auch damals wurde die Verletzung der Netzneutralität kritisiert. Nun kommt das Angebot auch hierzulande an.
Verstößt die Telekom gegen Gesetze?
Beim Betrachten der Tarifdetails und den AGBs von StreamOn fällt auf, dass die Telekom mehrfach gegen EU-Richtlinien zur Netzneutralität verstößt.
Deep Packet Inspection
Die Telekom muss die Pakete der Streaming-Dienste erkennen und von allen anderen Diensten trennen um die Berechnung des verbleidenden Datenvolumens richtig durchzuführen. Laut geltenden EU-Richtlinien darf dabei "Deep Packet Inspection" angewandt, der Inhalt der Datenpakete aber nicht gefiltert oder analysiert werden.
Doch ab wann werden "spezifische Inhalte" analysiert (Art 3 Abs. 3 Unterabs. 2 BEREC)? In Punkt 69 der EU-Richtlinie wird angeführt, dass ISP bis zum Transportschichtprotokoll überwachen dürfen.
Kurzer Exkurs: Zur Veranschaulichung von Netzwerkprotokollen und Vereinfachung ihrer Abläufe wird das OSI-Layer-Modell verwendet. Dieses besteht aus 7 verschiedenen Schichten (sog. Layer). Das Transportschichtprotokoll bildet dabei OSI-Layer 4. Die Telekom dürfte also alle OSI-Layer von 1-4 analysieren.
In Punkt 6.2 der AGBs schreibt die Telekom folgendes:
" Die Parteien vereinbaren [...] die spezifischen technischen Angaben, die der Content-Partner bereitstellt um die Relevanten Inhalte für TDG (Anm, d, Red: Telekom Deutschland GmbH) unterscheidbar zu machen und ihre Verarbeitung durch TDG zu ermöglichen. Geeignete technische Angaben können bestehen aus IP-Adressen und/oder Protokollen und/oder URL-Listen und/oder SNI (für HTTPS) und/oder HTTPS-Verschlüsselungen "
Die Telekom möchte zur Identifizierung der Datenpakete unter anderem SNI nutzen. SNI ist als Erweiterung von TLS in OSI-Layer 6 angeordnet, die dadurch analysierten HTTP (bzw. HTTPS) Verbindungen sind im OSI Modell sogar erst in Schicht 7 angeordnet. Damit ist DPI bei StreamOn weder mit den europäischen Richtlinien zur Netzneutralität noch mit dem Datenschutz vereinbar, weil "Text, Bilder und Videos" (BEREC Punkt 70) und nicht nur "generische Inhalte" überwacht werden.
Optimierung von Videoinhalten
Das nächste Problem betrifft nur die Video-Option von StreamOn. Die Telekom erklärt, dass die Videoqualität der Inhalte auf "DVD-Qualität" (Ausnahme MagentaEINS-Kunden) optimiert wird.
" Die Parteien vereinbaren [...] die spezifischen technischen Angaben, die der Content-Partner bereitstellt um die Relevanten Inhalte für TDG (Anm, d, Red: Telekom Deutschland GmbH) unterscheidbar zu machen und ihre Verarbeitung durch TDG zu ermöglichen. Geeignete technische Angaben können bestehen aus IP-Adressen und/oder Protokollen und/oder URL-Listen und/oder SNI (für HTTPS) und/oder HTTPS-Verschlüsselungen "
Die Telekom möchte zur Identifizierung der Datenpakete unter anderem SNI nutzen. SNI ist als Erweiterung von TLS in OSI-Layer 6 angeordnet, die dadurch analysierten HTTP (bzw. HTTPS) Verbindungen sind im OSI Modell sogar erst in Schicht 7 angeordnet. Damit ist DPI bei StreamOn weder mit den europäischen Richtlinien zur Netzneutralität noch mit dem Datenschutz vereinbar, weil "Text, Bilder und Videos" (BEREC Punkt 70) und nicht nur "generische Inhalte" überwacht werden.
Optimierung von Videoinhalten
Das nächste Problem betrifft nur die Video-Option von StreamOn. Die Telekom erklärt, dass die Videoqualität der Inhalte auf "DVD-Qualität" (Ausnahme MagentaEINS-Kunden) optimiert wird.
Obwohl die Bildqualität spürbar reduziert wird (s. Abb. oben) spricht die Telekom von einer "Optimierung" und versucht dem Kunden diese Drosselung der Übertragung als Feature zu verkaufen.
Man könnte nun meinen, dass Abstriche bei der Qualität selbstverständlich sind, wenn das Streamen ohne "Verbrauch" des Datenvolumens abläuft, aber das eigentliche Problem kommt noch:
Es werden nämlich nicht nur Videos von StreamOn-Anbietern optimiert sondern Inhalte aller Anbieter, die "Adaptive Bitrate" (StreamOn AGBs Punkt 7.2) nutzen. Damit verstößt die Telekom nicht nur gegen Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 der BEREC-Richtlinien ("Ein wesentlicher Grundsatz [...] ist die Verpflichtung der ISP, den gesamten Verkehr [...] gleich zu behandeln."), weil das Zero-Rating in der angewandten Form bei StreamOn nicht teilnehmende Partner diskriminiert, sondern auch gegen die Regelungen zum Verkehrsmanagement:
Den ISP steht es frei, die Übertragungsgeschwindigkeit für bestimmte Dienste vorrübergehend zu drosseln um zum Beispiel eine Überlastung der Netze zu verhindern. Die Telekom möchte aber dauerhaft drosseln, unabhängig davon, ob die Kapazitäten am Limit sind oder überhaupt keiner das Netz nutzt. (siehe BEREC Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2: „Dürfen nicht länger als erforderlich aufrechterhalten werden“)
Man könnte nun meinen, dass Abstriche bei der Qualität selbstverständlich sind, wenn das Streamen ohne "Verbrauch" des Datenvolumens abläuft, aber das eigentliche Problem kommt noch:
Es werden nämlich nicht nur Videos von StreamOn-Anbietern optimiert sondern Inhalte aller Anbieter, die "Adaptive Bitrate" (StreamOn AGBs Punkt 7.2) nutzen. Damit verstößt die Telekom nicht nur gegen Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 der BEREC-Richtlinien ("Ein wesentlicher Grundsatz [...] ist die Verpflichtung der ISP, den gesamten Verkehr [...] gleich zu behandeln."), weil das Zero-Rating in der angewandten Form bei StreamOn nicht teilnehmende Partner diskriminiert, sondern auch gegen die Regelungen zum Verkehrsmanagement:
Den ISP steht es frei, die Übertragungsgeschwindigkeit für bestimmte Dienste vorrübergehend zu drosseln um zum Beispiel eine Überlastung der Netze zu verhindern. Die Telekom möchte aber dauerhaft drosseln, unabhängig davon, ob die Kapazitäten am Limit sind oder überhaupt keiner das Netz nutzt. (siehe BEREC Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2: „Dürfen nicht länger als erforderlich aufrechterhalten werden“)
Täuscht die Telekom ihre Kunden?
Die Telekom hat das schnellste Mobilfunknetz Deutschlands - der Bonner Konzern wirbt immer wieder mit Testsiegen und schnellem Internet: Alle Kunden können mittlerweile mit bis zu 300 MBit/s surfen ("LTE-Max").
Doch bei der Optimierung der Videos wird die Datenrate von Adaptive Bitrate Streaming auf 1,7 MBit/s begrenzt. Das ist etwa 0,6% der theoretisch verfügbaren Geschwindigkeit. Vielleicht sollte man sich bei so einer Drosselung überlegen, ob man wirklich weiter mit LTE Max und schnellem Internet werben will, wenn davon beim Nutzer nichts mehr ankommt.
Doch bei der Optimierung der Videos wird die Datenrate von Adaptive Bitrate Streaming auf 1,7 MBit/s begrenzt. Das ist etwa 0,6% der theoretisch verfügbaren Geschwindigkeit. Vielleicht sollte man sich bei so einer Drosselung überlegen, ob man wirklich weiter mit LTE Max und schnellem Internet werben will, wenn davon beim Nutzer nichts mehr ankommt.
Nach der Präsentation von StreamOn wurde eine große Marketing-Kampagne seitens der Telekom gestartet. Unter anderem wurde auf Twitter der Hashtag #StreamOn gesponsert und auch ein TV-Spot durfte nicht fehlen: | |
Dem Zuschauer wird mit der Zeile "Endlich keine Limits mehr" suggeriert, dass mit StreamOn das Datenvolumen erweitert bzw. unbegrenztes Datenvolumen eingeführt wird. Für mich ist das ein klarer Fall von irreführender Werbung. Das scheint auch die Telekom erkannt zu haben: Zum offiziellen Start heute wurde ein neuer TV-Spot eingeführt.
Gefährdet die Telekom das Internet?
Zugegeben - der Titel ist etwas reißerisch, aber es geht bei der Netzneutralität nicht um ein Gesetz oder eine Richtlinie, sondern um einen (wenn nicht den wichtigsten!) Grundsatz des Internets: Daten werden immer gleich behandelt. StreamOn tut das aber nicht.
Und genauso wie ein Angriff auf die Meinungsfreiheit nicht nur ein Angriff auf die Meinungsfreiheit, sondern auch auf Grundgesetz und Demokratie wäre, kann man diesen Angriff auf die Netzneutralität auch als Angriff auf das Internet sehen. Mit dieser Form von Zero-Rating laufen kleine Streaming-Anbieter Gefahr völlig bedeutungslos zu werden. Denn mal ehrlich: Wer von uns würde nicht den Content-Provider wählen, durch den das Datenvolumen nicht angetastet wird?
Vielleicht sehe ich StreamOn als Netzaktivist einfach nur zu kritisch, aber ich scheine zumindest nicht ganz Unrecht zu haben: Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries hat heute angekündigt StreamOn zu prüfen.
Und genauso wie ein Angriff auf die Meinungsfreiheit nicht nur ein Angriff auf die Meinungsfreiheit, sondern auch auf Grundgesetz und Demokratie wäre, kann man diesen Angriff auf die Netzneutralität auch als Angriff auf das Internet sehen. Mit dieser Form von Zero-Rating laufen kleine Streaming-Anbieter Gefahr völlig bedeutungslos zu werden. Denn mal ehrlich: Wer von uns würde nicht den Content-Provider wählen, durch den das Datenvolumen nicht angetastet wird?
Vielleicht sehe ich StreamOn als Netzaktivist einfach nur zu kritisch, aber ich scheine zumindest nicht ganz Unrecht zu haben: Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries hat heute angekündigt StreamOn zu prüfen.
Fazit
Die Telekom verstößt mit StreamOn nicht nur mehrfach gegen geltende Verordnungen zu Netzneutralität und Datenschutz, sondern verzerrt bewusst den Wettbewerb und täuscht Verbraucher um die eigene Marktmacht zu stärken.
Außerdem versucht sie die Grenzen der Netzneutralität zu testen und ich hoffe, dass die Bundesnetzagentur der Telekom zeigt, wo diese Grenzen liegen - der erste Schritt dafür ist bereits getan.
Außerdem versucht sie die Grenzen der Netzneutralität zu testen und ich hoffe, dass die Bundesnetzagentur der Telekom zeigt, wo diese Grenzen liegen - der erste Schritt dafür ist bereits getan.